Pressefreiheit oder Willkür der Medien?!

Offener Brief über den Umgang der russischen Medien mit dem Internationalen Roerich-Zentrum in Moskau

Pressefreiheit oder Willkür der Medien?!

 

Die Radio- und Fernsehsendungen, die die Massenmedien der Russischen Föderation in den vergangenen Monaten sintflutartig verbreiten, veranlassen mich zu diesem Schreiben. Die letzte dieser Art auf dem Fernsehkanal „Rossiya 1“ war der Videobeitrag von Alexander Karpov vom 06.09.2016 mit dem Titel „Das Ministerium für Kultur rettet das Lopukhin-Anwesen vor dem Roerich-Zentrum“.

Alles, was im Fernsehbeitrag gezeigt wurde, aber auch die Darbietung des Material selbst durch den Journalisten A. Karpov bestürzt mich tief. Nicht nur, dass weder Erklärungen der Leitung des Internationalen Roerich-Zentrums noch Dokumente zur Verfügung gestellt wurden, vielmehr wurde die gesamte Information einseitig, unbewiesen und inkompetent vorgetragen. Wie schrieb Michail Lermontov 1837 in seinem Gedicht über die Schlacht bei Borodino: „Verknäult die Rosse und die Reiter..“, also ein heilloses Durcheinander.

Man könnte natürlich derartige Videobeiträge ignorieren, wäre die Situation um das Internationale Roerich-Zentrum und den Nachlass der Roerich-Familie, den Svyatoslav Roerich zur Schaffung des nichtstaatlichen Roerich-Museums an Russland übergab, nicht so ernst. Svyatoslav Roerich wählte das Lopukhin-Anwesen im Zentrum von Moskau als neue Heimat des Roerich-Nachlasses. Svyatoslav Roerich war Begründer des Internationalen Roerich-Zentrums, dessen Herzstück das öffentliche Roerich-Museum ist.

Im Videobeitrag von Herrn Karpov steckt so wenig Wahrheit, dass mit sie mit der Lupe suchen muss. Recht offen hingegen ist die Position des Staatlichen Museums des Ostens und des Ministeriums für Kultur der Russischen Föderation aufgezeigt: man will  das Internationale Roerich-Museums aus dem Lopukhin-Anwesen rausschmeißen. Wie soll das geschehen? Ganz einfach: man stellt dem Roerich-Zentrum unerfüllbare Bedingungen für seine Existenz und diffamiert es in der Öffentlichkeit, indem man ein unwahres Bild der Organisation als staatsfeindliche Einrichtung schafft. Der Journalist Karpov erfüllt diese Aufgabe, wie aus seinen Behauptungen und Aussagen ersichtlich ist, mit größtem Eifer. Er ist derart bemüht, dass er unbewiesene Aussagen auftürmt, Sätze aus dem Kontext des Interviews, das er mit dem Vizepräsidenten des ICR, Alexander Stetsenko führte, reißt und Lüge als Wahrheit hinstellt. Herr Karpov nimmt offensichtlich an, dass bereits der Name des Senders „Rossiya 1“ den Menschen Vertrauen abringt.

Für mich ist die Verbreitung derartiger Videos und Radiosendungen vielsagend. Vor allem über das Vertrauen in die Massenmedien in Russland. In einer Zeit der schnellen Verbreitung von Informationen haben wir nicht nur Zugriff auf Fernsehen und Radio in dem Land, in dem wir leben, sondern auch auf die Medien in anderen Ländern. Und so bildet sich eine allgemeine Vorstellung über Länder, über die Kultur der Völker und ihrer Bewohner, über den moralischen Zustand einer Gesellschaft. Und schließlich wird so über Vertrauen und eine mögliche Zusammenarbeit entschieden. Nach den Videos, die viele Menschen in unterschiedlichen Ländern sehen (in unserer großen Welt gibt es viele russischsprachige Menschen) taucht unwillkürlich die Frage nach Vertrauen auf. Wenn die gesetzlich verankerte Freiheit der Medien aber ein Mittel ist, das Lüge und Verleumdung in Nachrichtensendungen in ganz Russland und im Ausland zulässt, wie kann man von Vertrauen und Zusammenarbeit die Rede sein?

Viele internationale Organisationen auf der ganzen Welt arbeiten mit dem Internationalen Roerich-Zentrum zusammen. Es werden gemeinsame Kulturprogramme aufgelegt, es finden Ausstellungen und Konferenzen statt, um das Schaffenswerk und, was heute besonders wichtig ist, die friedensfördernden Ideen von Nikolaj Roerich zu pflegen und zu verbreiten. Das Internationale Ausstellungsprojekt „Der Roerich-Pakt. Geschichte und Gegenwart“ wurde vom Internationalen Roerich-Zentrum organisiert und zeigt die Aktualität des ersten internationalen Dokumentes zum Schutz der kulturellen Errungenschaften der Völker auf. Dieses Ausstellungsprojekt wurde bereits in vielen Ländern umgesetzt, auch in Deutschland unter der Schirmherrschaft der deutschen UNESCO-Kommission. Vor Übernahme einer Schirmherrschaft werden üblicherweise alle projektbegleitenden Unterlagen geprüft, Ziele und Mittel der Umsetzung eines Projektes werden hinterfragt. So war es auch mit dem Ausstellungsprojekt „Der Roerich-Pakt. Geschichte und Gegenwart“. Die Initiative des Internationalen Roerich-Zentrums wurde von der Generaldirektorin der UNESCO, Frau Irina Bokova, dem Generalsekretär der UNO, Ban Ki-moon, sowie einer Vielzahl von Kulturträgern und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens unterstützt. Und dies ist lediglich ein kleines Beispiel für die aktive friedensfördernde Tätigkeit dieser nichtstaatlichen und nicht, wie das Video des Herrn Karpov suggeriert, „privaten“ Organisation. Wie kann hier also die Rede von einer „zweifelhaften Reputation“ des Internationalen Roerich-Zentrums sein?!

Und so denken leider viele über das Vertrauen in Informationen in einem Land, wo eine in der Weltgesellschaft bekannte öffentliche Organisation derart mit Schmutz beworfen wird.

Es macht keinen Sinn, alles am 06.09.2016 von Herrn Karpov in seinem Video auf dem Sender „Rossiya 1“ Dargelegte zu kommentieren und zu wiederholen. Nach Übertragung der vorhergegangenen Sendung des „Superjournalisten“ (am 22.06.2016) und der Radiosendung „Polnyj Kontakt“ von V. Solovyov (am 21.07.2016) hat unsere Organisation (und, so glaube ich, nicht nur wir) Beschwerde bei der russischen Staatlichen Aufsichtsbehörde für Informationstechnologie und Massenmedien „Roskomnadsor“ eingereicht und an die Gesellschaftliche Kammer der Russischen Föderation geschrieben.

„Roskomnadsor“ hat das Programm „Polnyj Kontakt“ analysiert, und „im Ergebnis keine Verstöße gegen die Gesetzgebung der Russischen Föderation im Bereich der Massenmedien festgestellt“. Es stellt sich heraus, dass jedwede Einmischung in die Tätigkeit einer Redaktion, auch durch staatliche Organe, eine Verletzung der beruflichen Selbständigkeit nach Artikel 58 des Gesetzes über die Medien ist. Ein Journalist hat die Freiheit, seine persönlichen Urteile und Bewertungen darzulegen, die zur Verbreitung in seinem Namen bestimmt sind. Und wenn es jemandem nicht gefällt, dann möge man sich an die Redaktion wenden, eine Gegendarstellung fordern oder eine Gegendarstellung auf gerichtlichem Wege einklagen.

Und erst dann, wenn das Gerichturteil in Kraft ist, „hat die Behörde das Recht, Maßnahmen gegen die Redaktion der Medien in Betracht zu ziehen, die im Gesetz der Russischen Föderation über die Massenmedien vorgesehen sind.“ So lautet die Antwort.

Alles nach Recht und Gesetz, so scheint es. Allerdings forderte das ICR eine Gegendarstellung beispielsweise nach Ausstrahlung der Sendung von Herrn Karpov am 22.07.2016, eine Antwort auf den Brief vom ICR, versandt am 01.08.2016, ist bis heute nicht beantwortet. Bleibt also nur die Variante einer Gerichtsverhandlung? Offensichtich wird von den interessierten Personen eine weitere Aufgabe umgesetzt: die nichtstaatliche Organisation mit endlosen Gerichtsverfahren zu überziehen?!

Wo bleibt die journalistische Ethik, wo ist die Ehre und Würde der Mitarbeiter der Medien? Es können doch nicht alle gekauft und verkauft sein und die Menschen alle Hoffnung verloren haben, objektive Informationen zu bekommen, die eine Meinung vertreten und die Position aller Seiten berücksichtigen, um sich selbst ein Bild von der Wahrheit zu machen? Die Zerstörung des positiven Images des Internationalen Roerich-Zentrums und die Diskreditierung seines Rufes verschlingen enorme administrative Ressourcen. Die Beamten des Ministeriums für Kultur und des Staatlichen Museums des Ostens arbeiten unermüdlich, die verdiente öffentliche Organisation aus der Geschichte zu streichen. Aber dies wird nicht gelingen! Wir sind viele, wir sind Zeugen und Beteiligte der Ereignisse. Es sind diejenigen, die persönlich an der Restaurierung der Gebäude des Lopukhin-Anwesens aus Ruinen teilgenommen haben, die dem ICR und dem Roerich-Museum bei der Arbeit und seiner Existenz auch unter den  unerträglichen Bedingungen des Ministeriums für Kultur und des Museums des Ostens geholfen haben und weiter helfen werden. Die Arbeit, die das Internationale Roerich-Zentrum unter Leitung der Generaldirektorin des Roerich-Museums, Ludmila Shaposhnikova, einer Wissenschaftlerin, Persönlichkeit des öffentlichen Lebens von Weltruf und Vertrauten von Svyatoslav Roerich, vom Moment der Gründung des Museums bis heute geleistet hat, ist ein enormer Beitrag zur Entwicklung der russischen und Weltkultur, der die Zeit überdauern wird.

Ich bedauere sehr, dass es unter den Journalisten Russland zu wenig engagierte Profis gibt, die eine Situation objektiv (und ohne Angst) darlegen und das wahre Bild der nichtstaatlichen Organisation „Internationales Roerich-Zentrum“ zeigen, die für ihre Verdienste um die Bewahrung und Wiederherstellung des Architekturdenkmals des 17. – 19. Jahrhunderts, das „städtische Lopukhin-Anwesen“, im Jahr 2007 mit dem Staatspreis „Kulturerbe“ in der Rubrik „Restaurator“ ausgezeichnet wurde. Mit Verordnung des Präsidenten der Russischen Föderation, Valdimir Putin, wurde die Generaldirektorin des öffentliche Nikolaj-Roerich-Museums  Ludmila Shaposhnikova für ihren großen Beitrag zur Entwicklung der Museumskunde und Bewahrung von Kulturerbe mit staatlichen Auszeichnungen geehrt: dem „Orden der Freundschaft“ (2006) und dem „Orden für Verdienste um das Vaterland“ 4. Klasse (2011). Es ist nicht schwer, sich mit der kulturellen, wissenschaftlichen und publizistischen Aktivitäten des ICR vertraut zu machen. Ein Blick auf die Website der Organisation genügt. Das Wichtigste jedoch ist, dass es für die Staatsbeamten nicht schädlich wäre, das öffentliche Nikolaj-Roerich-Museum zu besuchen und dort mit eigenen Augen alles anzuschauen.

Ich bin sicher, dass für diejenigen, die gegen das Internationale Roerich-Zentrum destruktiv Hand anlegen, in der Geschichte keinen Platz ist. Ihre Namen werden in Vergessenheit geraten. Denn das Saatgut der Lüge, das sie säen, wird zu Blumen der Wahrheit erblühen. Dazu werden wir alle das Internationale Roerich-Zentrum und sein Nikolaj-Roerich-Museum unterstützen.

Remscheid, den 27.09.2016

 

Halina Schneider
Vorsitzende des Vorstandes
Deutsche Roerich-Gesellschaft e.V.  

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